abc.etüden. Atemnot.

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Die Wörter für die Textwochen 23/24 des Schreibjahres 2019 kommen von Werner Kastens und seinem Blog Mit Worten Gedanken horten.

Auf Christianes Blog versammeln sich alle Texte zu den drei gespendeten Wörtern.

Sie lag ganz still. Sie spürte wie sich ihr Herz zusammenzog und ihr Brustkorb schwer wurde. Sie rang nach Atem. Die Worte ihres langjährigen Hausarztes hallten in ihren Ohren: Ihre Herzkranzgefäße sind verengt, Ihre Cholesterin- und Blutzuckerwerte alarmierend hoch. Eine Stent-Implantation ist unabwendbar. Ich empfehle Ihnen dringend einen Termin beim Spezialisten zu vereinbaren. Zögern Sie nicht zu lange. Schlimmstenfalls erleiden Sie einen Herzinfarkt.

Sie spürte Panik aufsteigen und atmete tief ein und aus um sich zu beruhigen. Sie konnte sich weiß Gott zur Zeit keine Terminabweichungen in ihrem Business erlauben. Morgen sollte sie die neue Crew aus London treffen, um das nächste Engagement klar zu machen.

Sie würde wohl eine Spur zurückschalten und ihre Geschwindigkeit drosseln müssen. Ihrer Assistentin würde sie gleich morgen auftragen, freie Zeiten in ihren Kalender zu schaufeln, damit sie sich zwischen den Interviews ausruhen kann. Sie würde ihr Zeit- und Selbstmanagement langfristig verändern müssen und ihren Lebensstil entsprechend anpassen.

Ich will noch nicht sterben, flüsterte sie inbrünstig und flehend gen Himmel.

Ab morgen würde sie wieder täglich eine Stunde im Wald spazieren. In aller Herrgottsfrüh würde sie damit beginnen. Einen Neuanfang wagen. Ihr Herz drückte und brannte in ihrem Brustkorb. Sie atmetet jetzt ruhiger und blickte zuversichtlich in die nahe Zukunft.

Am nächsten Morgen schlüpfte sie ausgeschlafen in ihre Joggingschuhe, nahm ihre Stöcke und drehte eine Runde im Wald. Wie lange hatte sie das nicht mehr gemacht? Sie genoss die frische Luft und atmete tief. Sie spürte die Kühle des Morgens an ihrer Haut, hörte die Vögel trillieren und zwitschern, roch den noch feuchten Waldboden. Plötzlich wurde ihr schwindelig und eine tiefe Schwäche und Panik ergriff sie. Sie sackte zu Boden.

Ein anderer Jogger sah aus der Ferne zu wie sie stürzte und alarmierte sofort den Rettungsdienst. Als die Sanitäter eintrafen diagnostizierten sie „Herzinfarkt“.

11 Gedanken zu „abc.etüden. Atemnot.

    • danke, dass es dir gefällt … ja, ist so, dass so einige Menschen erst eine Diagnose oder Zusammenbruch brauchen, bis sie etwas verändern. Schade und schlimm und traurig ist das.
      LG. Petra

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  1. Man glaubt immer, man sei unersetzbar und würde die Kontrolle verlieren, wenn man mehr delegieren würde. Das ist wohl der größte Trugschluß in unserer so schnell gewordenen Welt und in unseren viel zu engen Terminkalendern.
    Sehr schön auf dieses Thema aufmerksam gemacht!

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    • Danke, Werner, unersetzbar und auch unsterblich, glauben einige :-). Leider sehr schwieriges Thema, weil man sich gefangen fühlt oder Erfolg braucht verständlicherweise, bevor man sich zu Veränderungen durchringt. Was nicht einfach ist wie wir wissen. LG. Petra

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