Die Wörter für die Textwochen 04/05 kommen aus Wien, und zwar von Myriade und ihrem Blog la parole a été donnée à l´homme pour cacher sa pensée. Ich sitze im Zug von Frankfurt nach Zürich und hatte Zeit zu schreiben. Et voilà meine zweite Geschichte zu diesen drei Wörtern.
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Die Salatschlüssel hatte sie von ihrer geliebten Oma geerbt. Weißes Porzellan mit Blümchenmuster in hellblau und rosa mit Goldrand. Die Schüssel steht seit Jahr und Tag auf dem Regal in ihrem Wohnzimmer. Gefüllt ist sie mit Süßigkeiten: bunte Bonbons und farbig verpackte Schokolade liegen drin.
Die Schüssel hat seit ewigen Zeiten einen Sprung der wie eine Narbe seidig glänzt. Er verläuft leicht schräg vom Schüsselboden zum oberen Rand. Das Gefäß steht so in der Regalwand, dass der Sprung unsichtbar bleibt für andere. Immer wieder wird sie darauf angesprochen wie schön das alte Erbstück neben ihren modernen Accessoires aussieht.
Wie sehr sie ihre Oma in diesen turbulenten Zeiten vermisst. So gern hätte sie mit ihr gesprochen und ihre Hand gehalten und gestreichelt. Immer wenn sie als kleines Mädchen Kummer hatte vertraute sie sich ihrer Oma an, die ihre Tränen trocknete und sie mit einem bunten Bonbon tröstete. Sie schließt die Augen und denkt zärtlich an ihre Großmutter.
Heute würde sie die Großmutterrolle übernehmen. Ihre Enkelkinder werden zu Besuch kommen. Sie hat sie schon eine Weile nicht gesehen. Ihre Tochter würde sie nachher vorbei bringen und später wieder abholen. Bunte Marshmallows hat sie eingekauft und lustig auf dem Teller drapiert. Später würde es heißen Kakao geben mit Sahne oben drauf. Das wird gemütlich werden. Sie freut sich sehr auf die Kinder und ihre Geschichten, die sie ihr erzählen werden.
Sie geht zum Regal und dreht die Salatschüssel so, dass der Sprung zu sehen ist. Heute wird sie ihren Enkeln erzählen wie er in die Schüssel kam. Bei der Erinnerung lacht sie schelmisch in sich hinein. Ihre Oma hatte damals fürchterlich mit ihr geschimpft, ihr aber dann schnell verziehen. Sie hatte ihr niemals erzählt, dass sie die heiß geliebte Salatschüssel für ein kleines aber unerlaubtes Experiment nutzte.
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Was könnte das bloß für ein Experiment gewesen sein 😉 ?
Heimlich die Schüssel bei einer Modenschau als Hut aufgesetzt?
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juchhu, das ist lustig 🙂
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Tja ….. Hmmmm ….
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Ich habe keine Ahnung. Aber ich mag die Geschichte. Und Erbstücke auch, gerade welche mit Geschichte.
Schön, eine zweite Etüde von dir, freut mich!
Liebe Grüße, schönes Wochenende
Christiane
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Kochen in der Schüssel???
Mir hat deine Etüde das Herz gewärmt. Danke dafür.
Herzliche Grüße
Ulli
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Kochen in der Schüssel ist auch lustig … ja gern hab ich dein Herz gewärmt :-).
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Aber du löst doch noch das Rätsel, so … irgendwann 😉
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ich würde mir auch etwas einfallen lassen und war neugierig was euch einfällt … ich habe auch eine mögliche Aktion für eine zersprungene Schüssel
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Pingback: Schreibeinladung für die Textwochen 06.07.19 | Wortspende von Petra Schuseil | Irgendwas ist immer
Vielleicht ja ein echtes Experiment, so a la Chemiebaukasten aber eben improvisiert.
Ich mag ja Gegenstände, zu denen ganze Geschichten und manchmal Menschen gehören.
Grüße, Katharina.
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jo … Chemiebaukasten klingt auch spannend … es soll schon Tote gegeben haben deswegen.
Ja, ich mag auch solche Gegenstände. Ich freue mich über Deinen Besuch hier bei mir. Danke! Herzlich. Petra
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